Tee-Mythos „Patina“: Teekanne spülen oder nicht?

In Teegeschirr lagern sich mit der Zeit hartnäckige Tee-Beläge an. Vor allem Schwarztee schafft es sehr schnell, festsitzende dunkle Beläge zu hinterlassen. Die Frage, ob man diese Tee-Ablagerungen (die sogenannte „Patina“) in der Kanne belassen sollte oder lieber „sauberes“ Geschirr verwendet, wird von Teefreunden unterschiedlich beantwortet:

Teekanne

Die eine Gruppe – ich nenne sie mal Tee-Traditionalisten – ist der Ansicht, dass die langsam heranwachsende Schicht aus Tee-Ablagerungen den Genuss steigert und bezeichnet diese als „Patina“.

Die andere Gruppe – nennen wir sie Tee-Modernisten – möchte lieber patinafreies („sauberes“) Geschirr für ihren Teegenuss und hält die „Patina“ in der Kanne nicht für wertvoll, sondern befürchtet, dass sich hier Schimmel und Bakterien ansiedeln können.

Stichhaltige, gar wissenschaftlich fundierte Belege für die Behauptung der Pro-Patina-Fraktion habe ich bisher nicht finden können. Allerdings ist immer wieder zu lesen, dass gerade die kleinen chinesischen Yixing-Kännchen durch den häufigen Gebrauch mit nur einer einzelnen Tee-Sorte und die in den offenporigen Ton eingezogenen Tee-Aromen die Kanne mit der Zeit immer wertvoller machen. Nach jahrzehntelangem Gebrauch soll so eine Kanne gar nur durch das Einfüllen von heißem Wasser schon einen schmackhaften Tee liefern – ganz ohne Zugabe von Teeblättern. So zumindest die Legende.

Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch die Patina-Freunde spülen ihre Teekannen zumindest mit heißem Wasser aus – vor und nach der Benutzung. Nicht, dass hier noch jemand auf die Idee kommt, den Resttee (womöglich inklusive der benutzten Teeblätter) in der Kanne zu belassen, um besonders schnell eine dicke Patina-Schicht zu erhalten. 😉

Die richtige Reinigung von Teekannen

Dass offenporige Kannen nicht mit Spülmittel gereinigt werden sollten, weil sich sonst Spülmittelreste in den „Poren“ des Materials festsetzen könnten und dann den Teegeschmack verderben, dürfte den meisten bekannt sein. Ganz anders bei Glas, Metall und Porzellan – hier steht einer Reinigung mit Spülmittel und Schwamm oder Bürste nichts im Wege. Stark scheuernde Reinigungsmittel sollte man aber möglichst vermeiden, um die Oberfläche des Kanneninneren nicht unnötig aufzurauen. Denn je rauer die Oberfläche, umso schneller entstehen hartnäckige Ablagerungen.

Festsitzende Tee-Beläge (eben die Patina) lassen sich übrigens mit einfachen Hausmitteln entfernen. Patina-Freunde nehmen allerdings nur heißes Wasser und nehmen lieber eine wenig charmante Optik in Kauf, als dass sie den (vermeintlich?) wertvollen Belag entfernen.

Solange die Kanne gründlich heiß ausgespült und – gerade bei offenporigen Tonkannen wichtig – dann auch gründlich getrocknet wird, sehe ich (außer der unschönen Optik) kein Problem darin. Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, eine offenporige Tonkanne feucht und mit aufgesetztem Deckel in den Schrank zu stellen. In diesem Fall darf man sich garantiert nach ein paar Tagen auf eine munter wachsende Schimmelschicht in der Kanne „freuen“ …

Aber was stimmt denn nun: Ist die Patina gut oder ein lästiges Übel?

Was bisher als Behauptung im Raum steht

Die Patina bildet sich aus den Tanninen der Teeblätter, manche Materialien fördern die Bildung der Patina (offenporige Tonkannen, chinesische Yixing-Kannen, Silberkannen, Teekannen für die ostfriesische Teezeremonie) und diese Patina dient dann als „Schutzschicht“ zwischen Material und frischem Tee – und verstärkt angeblich den Geschmack des neu aufgebrühten Tees. Diese Patina solle darum keinesfalls entfernt werden. Die Kanne soll nur mit heißem Wasser ausgeschwenkt und vor der Zubereitung frischen Tees mit heißem Wasser vorgewärmt werden.

Meine Gedanken dazu – Erklärungsansätze

Folgende Gedanken habe ich mir dazu gemacht, bin aber in der Diskussion mit Teefreunden auch nicht wirklich schlauer geworden:

  1. Wenn das Binden der Tannine den Tee schmackhafter macht und das Material der Kanne die Tannine sowieso schon an sich bindet, dann sollte eine gereinigte Kanne den gleichen Effekt haben. Dazu brauche ich dann die Patina nicht. (Es sei denn, die Patina verstärkt den Effekt, so wie angeblich bereits angelagerter Kalk im Kessel den Kalk noch schneller aus dem Wasser ziehen soll.)
  2. Wenn die Patina als Schutzschicht zwischen Kannenmaterial und Tee dient: Dann habe ich wohl ein „schlechtes“ Material für die Kanne gewählt. Entweder sollte schon das Material den Geschmack verbessern oder aber es sollte sich neutral zum Tee verhalten. Also brauche ich die Patina wiederum nicht – oder ich habe eigentlich eine schlechte Kanne.
  3. Wenn die Patina aus Tanninen den Teegeschmack verbessert, weil sie wieder Geschmacksstoffe abgibt, dann scheinen es doch die Tannine zu sein, die den Geschmack fördern. Warum müssen diese also erst entzogen werden? Oder erfolgt durch den Prozess des Ablagerns, Trocknens und späteren wieder Lösens eine chemische/biologische Umwandlung der Patina? Also so eine Art fortgesetzte Oxidation, die dann völlig neue Aromen hervorbringt?

Vielleicht ist die 3. Anmerkung ja der Schlüssel zur Lösung dieses „Tee-Mythos“? Zur Frage, ob sich in der Patina nicht auch ungewollte Effekte wie Schimmel und Bakterien ansiedeln könnten, sei angemerkt: Diese müssen ja nicht immer gleich gesundheitsschädlich sein (Beispiel Blauschimmelkäse, Hefegärung, Pu Erh Tee etc.) – aber verlässliche Informationen hierzu habe ich ebenfalls nicht finden können.

Mein vorläufiges Fazit

Aktuell ist die Frage nach dem Wert der Patina in einer Teekanne für mich noch unbeantwortet. Ich persönlich stehe gefühlsmäßig auf der Seite der „Tee-Modernisten“. Für mich sollte Tee aus sich heraus gut schmecken. Und sauberes Teegeschirr steigert für mich den Genuss, den ich beim Teetrinken empfinde. Unterschiedliche Materialien (Ton, Glas, Porzellan, …) können den Geschmack oder zumindest das Geschmacksempfinden beeinflussen – ob dafür aber eine Patina benötigt wird, das wage ich zu bezweifeln.

Trotzdem habe ich eine Anfrage an eine Wissenschafts-Redaktion gestellt, in der Hoffnung, von dieser Seite vielleicht eine klärende Antwort zu erhalten. Aber vielleicht ist ja auch unter den Lesern dieses Beitrags ein Wissenschaftler, der bereits eine Untersuchung zu diesem Thema gemacht oder gelesen hat? Dann freue ich mich auf einen Hinweis bzw. eine fundierte Antwort per E-Mail!