Fragen an Teefreunde: Gerhard Thamm

Im Rahmen meiner Reihe „Fragen an Teefreunde“ freue ich mich, Gerhard Thamm und sein Projekt Chá Dào vorstellen zu können. Herr Thamm setzt bei seiner Website und dem noch im Aufbau befindlichen Online-Shop den Fokus auf China, chinesischen Tee und die chinesische Teekultur. Ein Projekt, das meine Neugier geweckt hat.

Herr Thamm, bitte stellen Sie sich kurz vor:

Gerhard Thamm bei einer Teeprobe in Wuyishan (Foto: © Gerhard Thamm)
Gerhard Thamm bei einer Teeprobe in Wuyishan (Foto: © Gerhard Thamm)

Mein Name ist Gerhard Thamm. Ich bin 62 Jahre alt und habe Literaturwissenschaften, Philosophie, Erziehungswissenschaften und Geographie studiert. Ich war rund dreißig Jahre in der Luftfahrt tätig, die letzten 20 Jahre im Management, als CEO und Geschäftsführer. Vor gut einem Jahr habe ich mir jedoch meinen lang gehegten Traum erfüllt und mich meiner Leidenschaft, der chinesischen Kunst und Kultur und dem Projekt Chá Dào, der Kunst des Tees, zugewandt.

Seit mehr als 25 Jahren verbinden mich enge berufliche wie private Beziehungen zu China, das ich seither regelmäßig mindestens drei- oder viermal im Jahr bereise. Bei meinen zahlreichen Besuchen bei chinesischen Freunden, Künstlern und Teebauern habe ich immer eines besonders genossen, die gemeinsamen Teerunden, die mich auf meinen persönlichen Teeweg, Chá Dào, geführt haben.

Welche Bedeutung hat Tee in Ihrem Leben? Welche Beziehung haben Sie zum Tee?

Tee spielt für mich seit einigen Jahren eine besondere Rolle. Der Tag beginnt und endet mit Tee. Und jeden Tag erfreue ich mich immer wieder an chinesischen Teesorten, die ich für mich neu entdecke, an schönen und praktischen Teeaccessoires, und ich lerne immer neue Aspekte der chinesischen Teegeschichte und -kultur kennen. Dass ich darüber hinaus hier in Europa wie auch in China sehr interessante Menschen und neue Einsichten kennenlerne, ist eine ganz besondere Zugabe, die ich sehr zu schätzen weiß.

Was ist für Sie das Besondere am Tee?

Tee hat für mich mehrere besondere Aspekte: Als Kunst- und Kulturinteressierter mit besonderem Hang zur chinesischen Kultur hat Tee natürlich einerseits einen besonderen kulturellen Stellenwert, und mich interessiert nahezu jedes Detail an der chinesischen Teekultur und -geschichte. Dazu fasziniert mich die unglaubliche Vielfalt, die aus einem einzigen grünen Blatt der Camellia sinensis durch das lokale Klima und das, was die Önologen als Terroir bezeichnen, also die naturbedingten Faktoren der Teeherkunftsgebiete, sowie durch die besondere Behandlung und die Geschicke eines Teemeisters entstehen kann. Und schließlich hat Tee für mich im Hinblick auf Geschmack, Wirkung und Gesundheit, aber auch hinsichtlich meiner mentalen Situation eine ganz besondere Bedeutung.

Wann hatten Sie den ersten Kontakt zum Tee und welcher Tee war das?

Die ersten Kontakte zum Tee hatte ich – wie wahrscheinlich die meisten von uns – mehr unbewusst als Kind oder Jugendlicher, ohne mir jemals genauer darüber Gedanken gemacht zu haben; wahrscheinlich waren es einfache Teebeutel, die erst durch Zucker genießbar gemacht wurden.

Meinen ersten ernst zu nehmenden Kontakt hatte ich jedoch auf einer meiner ersten Reisen nach China vor nahezu drei Jahrzehnten, als mich Freunde zu einer Teezeremonie mit verschiedenen Oolongs einluden. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass Tee nicht gleich Tee ist, wie viele Sorten Tee es gibt, was eine gute Qualität ist und dass sich dahinter eine uralte Tradition und Kultur verbirgt, eine Erfahrung, die mir bis heute gut tut.

Was hat sich seitdem in Ihrem Verhältnis zum Tee geändert?

Seither ist Tee für mich ein unerlässlicher Begleiter im Alltag, der jedoch wesentlich mehr ist als nur ein Getränk. Jede Schale Tee und jedes Teezubehör machen mich neugierig, neugierig darauf, wo der Tee wächst, wer und wo die Teeaccessoires hergestellt wurden, wie der Tee zubereitet wird, was seine Geschichte ist … Tee hat meinem Leben ein völlig neue Richtung gegeben seit ich meinen Teeweg gehe.

Was war Ihr schönstes Tee-Erlebnis?

Das ist sehr schwierig zu beantworten: Aber dazu gehören einerseits die vielen Teerunden bei befreundeten Künstlern in Songzhuang, Jingdezhen und Yixing, die sich auch sehr mit der Kultur des Teezubehörs beschäftigen, besonders aber auch die Teeverkostungen bei den befreundeten Teebauern in der Provinz Fujian, allen voran bei Freunden in Wuyishan und Anxi. Und, als ich vor einigen Jahren gemeinsam mit meinem Sohn erstmals einen wunderbaren alten Pu’erh in seiner Heimat in der Provinz Yunnan, genauer gesagt in der sehenswerten alten Stadt Lijiang probieren durfte … ein Erlebnis, das man nie vergessen wird.

Was ist Ihr Lieblings-Tee, was ist das Besondere daran und wie bereiten Sie ihn zu?

Es gibt keinen ausgewiesen Lieblingstee. Vielmehr genieße ich gerade die Vielfalt der chinesischen Teelandschaft. Doch stehen die Felsentees (etwas stärker oxidierte Oolongs) aus dem wunderschönen Wuyi-Gebirge (Wu Yi Yan Cha) wie etwa ein Da Hong Pao (Große Rote Robe) oder ein Tie Guan Yin (Eiserne Göttin der Barmherzigkeit), das ist ein leichter fermentierter Oolong aus Anxi, ein vor dem Qingming-Fest gepflückter Long Jing vom Xi Hu (Drachenbrunnentee vom Westsee in Hangzhou) oder ein Bai Hao Yin Zhen (Weiße Silbernadel aus Fuding) ganz oben auf der Liste.

Übrigens bereite ich fast alle Tees nach der chinesischen Gong Fu Cha-Methode zu, und benutze für mich tagsüber immer einen Gaiwan (auch für Grüne, Weiße und Gelbe Tees), wenn ich mit Freunden Tee verköstige benutze ich zudem auch Yixing-Teekannen. Alle Tees werden schalenweise frisch zubereitet mit sehr kurzen Ziehzeiten.

Wann und wo trinken Sie am liebsten Tee?

Zu jeder Tages- und Nachtzeit gemütlich bei und mit Freunden an einem schönen Teetisch mit verschiedenen Sorten und Qualitäten und schönen Teeaccessoires. Oder gemütlich und besinnlich in meinem Teeraum, um nachzudenken oder einfach nur um abzuschalten.

Welches ist Ihr liebstes Tee-Zubehör?

Eine wunderschöne schwarze Yixing-Teekanne, schlicht und einfach in ihren Formen, aber perfekt in ihren Proportionen und mit ihren Eigenschaften sowie ein blau-weißer Gaiwan aus der Porzellanmetropole Jingdezhen, den ich von morgens bis abends benutze.

Was ist Ihre Lieblings-Zutat zum Tee?

Je nach Gelegenheit, Ort (Verfügbarkeit) und Tageszeit entweder Reisknabbereien, getrocknetes Obst oder auch getrocknetes Fleisch oder getrockneter Fisch.

Was ist Ihr Lieblingsbuch zum bzw. über Tee? Welche Musik passt für Sie zu einer schönen Teestunde?

Noch eine Frage, auf die es leider keine einfach Antwort gibt: Es wurden viele schöne Bücher über Tee und seine Geschichte geschrieben (aber leider auch noch mehr schlechte), doch gehören „The Story of Tea“ (M.L. und R. Heiss), „Tea – History, Terroirs, Variety“ (K. Gascoyne u.a.), „The Chinese Art of Tea“ (John Blofeld), „Tee süßer Tau des Himmels“ (A. Gruschke u. a.) oder „Das Geheimnis des Tees“ (Hu Hsiang-fan und Carla Sternberg) ganz sicher zu den empfehlenswerten Exemplaren.

Bezüglich der musikalischen Untermalung gehört chinesische „Teemusik“ dazu, also Instrumentalmusik mit chinesischen Musikinstrumenten. Eine CD mit dem Titel „Cha Dao – The Way of Tea“ sowie eine CD-Auswahl mit dem Namen „Chinese Tea Ceremony – The Most Oriental Tea Music“ dreht bei mir unermüdlich ihre Runden.

Was ist Ihr Lieblings-Zitat zum Thema Tee?

Vielleicht folgendes chinesisches Sprichwort:

Eine Freundschaft ist wie eine Tasse Tee. Sie muss klar und durchscheinend sein, und man muss auf den Grund schauen können.

Wen würden Sie gerne einmal zum Tee einladen und welchen Tee würden Sie servieren?

Helmut Schmidt würde ich gerne meinen 1980er Pu’erh servieren und mit ihm über Geschichte und die unterschiedlichen Kulturen reden, und seine Meinung hören wie man zwischen ihnen vermitteln kann.

Aber eigentlich alle jene, die Tee für sich noch nicht entdeckt haben, aber offen und empfänglich sind für chinesische Teekultur, die sich an Kunst und Kultur erfreuen können, also alle jene die zwar bereit sind, aber ihren Teeweg noch nicht gefunden haben. Ihnen würde ich gerne die Vielfalt der chinesischen Teesorten und Teeaccessoires präsentieren und somit einen kleinen Anstoß für etwas Neues geben.

Was möchten Sie sonst noch zum Thema Tee erzählen, das ich vergessen habe zu fragen?

Tee ist viel mehr als nur ein Getränk. Tee ist Musik und Literatur, Natur und Kunst, Geschichte und Philosophie … Tee heißt für mich Genuss und Gesundheit, Besinnung und Entspannung, gemeinsame Stunden mit Freunden oder der Gedanke an Freunde in fernen Ländern, schöne Landschaften, fremdartige und faszinierende Kulturen, wunderschöne Teeaccessoires und die lange und spannende Geschichte um seine Entstehung und Verbreitung …

Tee hat unendlich viele Facetten, die es zu entdecken gilt. Die Beschäftigung mit der Teekultur bietet so viele Aspekte, die, wenn wir uns näher darauf einlassen, unser Leben bereichern. Ich würde mir wünschen, dass viele Menschen sich aufmachen, ihren ganz eigenen Teeweg zu erkunden und so ihrem Leben etwas schenken.

Dabei gibt es – abgesehen von der japanischen Teezeremonie Cha No Yu – kaum feste Regeln, die man beachten muss. Erlaubt ist, was Freude macht, was schmeckt und gefällt und was einem gut tut. Man muss ausprobieren – Tee wie auch das Teezubehör – man muss testen und experimentieren, vergleichen und sich gerne auch immer wieder auf etwas Neues einlassen. Dann wird Tee das eigene Leben bereichern, geistig wie körperlich.

Gerhard Thamm in "seinem" Teegarten in Wuyishan (Foto: © Gerhard Thamm)
Gerhard Thamm in „seinem“ Teegarten in Wuyishan (Foto: © Gerhard Thamm)

… die Reise auf meinem Chá Dào, das ist der Luxus, auf den ich nicht verzichten möchte.

Vielen Dank für das Interview, Herr Thamm!

Wer neugierig auf die Website und den Online-Tee-Shop geworden ist: Chá Dào – China Tea & Art mit Online-Shop.