Fragen an Teefreunde: Thomas Kasper von Siam Tee

Im heutigen Teil meiner kleinen Interview-Reihe “Fragen an Teefreunde” durfte ich Thomas Kasper von Siam Tee meine Fragen stellen. Er hat sich mit Blog und Online-Shop dem Tee aus Nordthailand verschrieben.

Thomas Kasper von Siam Tee
Thomas Kasper von Siam Tee (Foto © privat)

Thomas, bitte stell dich kurz vor:

Im „zarten“ Alter von 25 Jahren „entfloh“ ich einer von Abitur und Studium eigentlich gesegneten Zukunft und suchte mein Heil in Nordthailand, wo ich die folgenden 20 Jahre (Fortsetzung folgt) verbringen sollte.

Eine Nische, in der Ausländer, die nicht auf den Kopf gefallen sind, dort ihr Auskommen finden können, ist die Gastronomie. 16 Jahre lang betrieb ich ein Restaurant mit deutsch-thailändischer Küche im aufstrebenden Urlaubsort Pai, ca. 135 Kilometer nördlich von Chiang Mai, Thailands zweigrößter Stadt, in den Bergen gelegen.

Kinder, bzw. der Wunsch, diesen eine deutschsprachige Schulausbildung zu ermöglichen, trieben mich dann vor etwa vier Jahren in die „große“ Stadt, in der es eine deutsche Auslandsschule gibt. Meinen Lebensunterhalt bestreite ich seither als freiberuflicher Übersetzer.
„Auf den Tee gekommen“ bin ich erst vor etwas weniger als einem Jahr: Wie das Leben so spielt, lebte ich ganz in der Nähe eines der jüngsten Teeanbaugebiete der Welt, welches gegenwärtig auf die Weltbühne des Tees drängt und dort um die (gebührende!) Anerkennung kämpft.

Welche Bedeutung hat Tee in deinem Leben? Welche Beziehung hast du zum Tee?

Die Entdeckung des Tees in meinem Leben begann als kommerzielle Idee: Nebst thailändischem Jasminreis, besonders gutem Knoblauch und einigen wenigen anderen Agrarprodukten gehört Tee zu den wenigen Dingen, die in Thailand hergestellt werden und die im internationalen Wettbewerb qualitativ konkurrenzfähig sind.

Ich hatte lange nach einem solchen Produkt gesucht, wollte mir an den großen, etablierten und von gigantisch großen Playern beherrschten Markt für die anderen oben genannten Güter nicht die Finger verbrennen und war begeistert von dem Gedanken, mit Tee aus Nordthailand eine Nische entdeckt zu haben, von der ich überzeugt war, dass sie bei den Teefreunden überall auf der Welt schon bald in aller Munde sein würde.

Was ist für dich das Besondere am Tee?

Das Besondere am Tee gibt es für mich nicht. Es ist eine Vielzahl teilweise subtiler und auch transzendenter Aspekte, die eine der größten Segnungen unseres Planeten, Tee, zu etwas ganz Besonderem machen. Immer, wenn ich einen solchen Aspekt irgendwo beobachte, versuche ich ihn in einen kurzen Satz zu fassen und stelle ihn dann in meinen „Thailand Tee Blog“, um ihn nicht wieder zu vergessen. Am einfachsten daher hier die bisherige Sammlung der „kurzen Worte zum Tee“ (wird ständig fortgesetzt, mir fallen da immer neue Dinge ein …):

Tee ist …

    1. Die exakte Mitte zwischen allen Extremen.
    2. Das konservative Element in der Revolution.
    3. Eine echte Chance für Reflektion und Besinnung.
    4. Die Vielfalt und Tiefe der subtilen Feinheit
    5. Ein Kontrapunkt zur modernen Schnelllebigkeit
    6. Beständigkeit in einer Welt, in der sonst kaum noch etwas Gutes Bestand zu haben scheint.
    7. Eine rundgeformte Schäfchenwolke im blauen Sommerhimmel.
    8. Morgen- und Abenddämmerung, Grenze zwischen Tag und Nacht, Licht und Dunkel
    9. Ein positives Unterscheidungskriterium zu allem anderen.
    10. Ein Luxus, der keinen Reichtum erfordert.
    11. Eine Brücke des Verstehens zwischen verschiedensten Zungen.
    12. Der mögliche Beginn von Gemeinsamkeit
    13. Das Schließen einer Tür zwischen dir und der Welt
    14. Der Glaube an den Reichtum des Augenblicks
    15. Ein Ruhepol im Chaos ständiger Bewegung
    16. Ein neutrales Verhandlungsmedium
    17. ein Spiegelbild seiner Erde, seiner Luft, seines Wassers und seiner Sonne
    18. Deine Zeit

Wann hattest du den ersten Kontakt zum Tee und welcher Tee war das?

Vor etwa 8 oder 9 Monaten. Ich besuchte die chinesische Stadt Doi Mae Salong in den Bergen Nordthailands, eigentlich mehr aus allgemeinem Interesse, und fand mich an einem Ort wieder, der praktisch durch Tee atmet: Tagelang durchstreifte ich in Folge die Tee-Shops der Stadt, in denen man IMMER auf einen Tee eingeladen ist. Ich lernte dort einen Tee kennen, von dem ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst hatte, was das eigentlich war: Formosa Oolong Tee.

Was hat sich seitdem in deinem Verhältnis zum Tee geändert?

Aus der kommerziellen Idee wurde sehr schnell eine persönliche Leidenschaft (ohne die hätte auch der kommerzielle Gedanke die anfängliche Begeisterung nicht überlebt). Das Verhältnis, das ich mittlerweile zu Tee entwickelt habe, geht ebenfalls am besten aus den 18 obigen Sätzen hervor. Tee spielt heute eine große und sehr wichtige Rolle in meinem täglichen Leben.

Was war dein schönstes Tee-Erlebnis?

Mein schönstes Tee-Erlebnis liegt schon viele Jahre zurück. Ich verbrachte damals eine Woche in einem Dorf eines in Nordthailand ansässigen Bergvolkes, den Muser/Lahu, fernab befahrbarer Wege und viele Kilometer unwegiges Gelände weit weg von der nächsten Stromleitung.

Meine Gastgeberfamilie unterhielt rund um die Uhr ein Feuer mitten im „Wohnzimmer“ (das einzige Zimmer) ihrer Bambusbehausung und am Abend saßen immer alle um dieses Feuer herum, auf dem allgegenwärtig ein Kessel mit einheimischem Tee saß. Der war zwar immer so dünn, dass er fast nach nichts schmeckte, aber er stellte ein Band her zwischen den Menschen, die an diesem Feuer saßen. Er stellte am Abend einen Ort dar, den man aufsuchen konnte, wo sonst alles dunkel war und es keine Orte gab, die man aufsuchen konnte. Man traf dort Menschen (ALLE Menschen, die in dieser kleinen Welt präsent waren), man fand Kommunikation, Spaß, Unterhaltung. Im Zentrum von all dem stand der Teekessel. Der nach fast nichts schmeckende Tee bildete das Medium für das GESAMTE soziale Geschehen! Ein unvergesslicher Eindruck.

Was ist dein Lieblings-Tee, was ist das Besondere daran und wie bereitest du ihn zu?

Ich postete einmal in einem Tee-Forum die Beschreibung eines „Einsame Insel“-Szenarios, in dem alles darauf hinauslief, dass man sich entscheiden musste, welchen Tee man dorthin mitnehmen wolle … letztlich eine etwas komplexere Umschreibung der Frage: Was ist dein Lieblingstee?

Nun, der Post hielt sich eine ganze Weile (es gibt ihn immer noch: im (tollen!) Tee-Forum unter www.teetalk.de) und eine Menge Leute hatten Schwierigkeiten sich zu entscheiden. Nun, ich selbst begann mit dem Formosa Oolong Nr. 17 aus Nordthailand und endete vor 2 oder 3 Monaten mit der nordthailändischen Schwarztee-Novelty … ein Glück muss ich nicht wirklich auf die einsame Insel und mich für einen Tee entscheiden.

Wann und wo trinkst du am liebsten Tee?

Zuhause. Immer zuhause und eigentlich nur zuhause. Einzige Ausnahme sind chinesische Tee-Shops in Doi Mae Salong und Doi Wawee und das Haus des Shan-Tee-Bauern an der Thai-Burmesischen Grenze in der Provinz Mae Hong.

Welches ist dein liebstes Tee-Zubehör?

Taiwanesische Tonkanne mit Drachenmotiv, Glaskannen, kleine runde henkellose asiatische Keramik-Teeschalentasse, kleine chinesische Tee-Tischchen zum auf-den-Tisch-stellen mit Einschubfach unten für das (nicht ohne Absicht) über die Kanne und auch daneben gegossene Teewasser. ALLES passt auf so ein Tischchen und man kann darauf „wutzen“ wie die Chinesen …

Was ist dein Lieblingsbuch zum bzw. über Tee?

Ich lese immer mal wieder mit besonderer Hingabe im Lu Yu – Cha Ching, so irrelevant die dort vertretenen Ansichten heute sogar in der „Teewelt“ sein mögen.

Was ist dein Lieblings-Zitat zum Thema Tee?

Meine bisherigen 18 „kurzen Worte zum Tee“. Dem hinzuzufügen wären 5 Worte aus dem Lu Yu – Cha Ching: „Die Natur des Tees ist bescheiden …“

Wen würdest du gerne einmal zum Tee einladen und welchen Tee würdest du servieren?

Leonard Cohen, etwas koffeinarmes …

Was möchtest du sonst noch zum Thema Tee erzählen, das ich vergessen habe zu fragen?

Puh, hab‘ ich nicht schon zuviel geredet…?

Ganz und gar nicht. – Vielen Dank für das Interview, Thomas!